Du bist da – für alle, für alles. So sehr, dass Du oft vergisst, auch für Dich selbst da zu sein. Da ist Unruhe, vielleicht Leere. Und wenn jemand fragt, was Du brauchst? Bleibt es still. Nicht, weil da nichts ist – sondern weil Du es Dir abgewöhnt hast, Deine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Kein Wunder, dass keiner hilft – Du weißt ja selbst nicht, was Du brauchst. (Autsch. Aber ehrlich.) Doch was, wenn genau hier ein neuer Anfang liegt: einer, der nichts mit Egoismus zu tun hat – sondern mit der tiefsten Form von Selbstachtung?
Er meldet sich nicht.
Schon seit Stunden.
Kein Streit, keine Worte – nur dieses Schweigen, das schwerer wiegt als jedes Nein.
Du spürst, wie Dein Kopf zu arbeiten beginnt.
Was war das Letzte, was Du geschrieben hast? War es zu viel? Zu wenig? Zu bedürftig?
Und noch bevor Du Dich selbst fragst, wie es Dir gerade geht, bist Du längst bei ihm.
Fühlst, was er vielleicht denkt, was er gerade braucht, was Du tun könntest, um wieder näher zu rücken.
Vielleicht ein Emoji senden. Oder lieber nicht.
Vielleicht Verständnis zeigen. Oder Rückzug.
Vielleicht … vielleicht … vielleicht.
Du hast ein besseres Gespür für seine Bedürfnisse
als für Deine eigenen.
Und das Schlimmste?
Du merkst es oft nicht einmal.
Weil Du vergessen hast, Dich selbst zu fragen.
Weil Dein innerer Kompass sich so sehr auf andere ausgerichtet hat,
dass Du Dich selbst nicht mehr auf dem Radar hast.
Grund 1: Du hast früh gelernt, dass andere wichtiger sind
Vielleicht war es nie laut ausgesprochen.
Vielleicht hat Dir niemand direkt gesagt: „Du zählst nicht.“
Aber Du hast es gespürt.
Im Blick, der bei Deinen Eltern blieb, wenn Du geweint hast.
Im Lob, das kam, wenn Du brav warst – leise, angepasst, pflegeleicht.
In der Wärme, die da war, wenn Du funktioniert hast – aber nicht, wenn Du viel gefühlt hast.
Und irgendwann hast Du begonnen zu glauben:
„Wenn ich für andere da bin, bin ich richtig.“
Und umgekehrt: „Wenn ich mich zeige, mit dem, was ich wirklich brauche – bin ich zu viel.“
Du hast gelernt, andere zu scannen.
Ihre Stimmungen zu lesen, bevor sie etwas sagen.
Ihre Bedürfnisse zu spüren, bevor sie sich selbst trauen, sie auszusprechen.
Und das ist eine Gabe.
Aber auch ein Preis.
Denn je feiner Deine Antennen nach außen wurden,
desto leiser wurde die Stimme in Dir, die Dir eigentlich helfen soll, Deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen.
Und so vergehen Tage – vielleicht auch Jahre –
in denen Du mehr für andere da bist als für Dich selbst.
Nicht aus Schwäche. Sondern aus früh geübtem Schutz.
Doch heute darfst Du wissen:
Du bist nicht mehr das kleine Mädchen, das die Verbindung sichern muss,
indem sie sich selbst verliert.
Grund 2: Du fürchtest Ablehnung, wenn Du Dich zeigst
Es gibt diesen Moment, in dem Du spürst, dass etwas in Dir sprechen will.
Ein leiser Impuls vielleicht: „Ich brauche Nähe.“
Oder ein klares inneres Nein: „Ich kann gerade nicht noch mehr tragen.“
Aber noch bevor Du diesen Impuls nach außen bringen kannst,
schaltet sich etwas in Dir dazwischen.
Etwas Altes.
Etwas, das fragt:
„Was passiert, wenn ich das jetzt wirklich ausspreche?“
Und dann geht es plötzlich nicht mehr um Dich –
sondern um ihn.
Wie er reagieren könnte.
Was sie denken könnte.
Ob Du dann zu empfindlich bist. Zu fordernd. Zu bedürftig.
Denn in Dir sitzt ein stilles Skript:
„Wenn ich mich zeige, verliere ich vielleicht die Verbindung.“
Und für Verbindung würdest Du viel opfern.
Sogar Dich selbst.
Also schluckst Du es runter.
Machst weiter.
Sagst „Es ist okay“, obwohl Dein ganzer Körper schreit: „Nein, ist es nicht.“
Und manchmal glaubst Du Dir das sogar.
Für eine Weile.
Bis dieses Ziehen wiederkommt.
Diese feine innere Spannung, die sagt:
„Du hast Dich gerade wieder übergangen.“
Die Wahrheit ist:
Deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen, ist der erste Schritt.
Bedürfnisse zu zeigen, der zweite, aber auch verletzlichere.
Aber weißt Du was?
Noch verletzlicher ist es, Dich immer wieder selbst zu verlassen –
nur um irgendwo dazugehören zu dürfen.
Grund 3: Du fühlst viel – aber kannst es nicht greifen
Manchmal ist da so viel in Dir.
Ein Kloß im Hals.
Eine Enge im Brustkorb.
Oder einfach diese unterschwellige Gereiztheit, die Du Dir selbst nicht erklären kannst.
Du fühlst – ja.
Intensiv sogar.
Aber auf die Frage „Was brauchst Du gerade?“ –
DIE essentielle Frage, um Deinen eigenen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen –
… folgt oft nur Schweigen.
Nicht, weil nichts da ist.
Sondern weil es zu viel ist.
Zu verwoben.
Zu unklar.
Es ist, als würdest Du unter einer Decke aus Gedanken, Erwartungen und innerem Lärm liegen –
und irgendwo da unten liegt Dein echtes Bedürfnis.
Aber Du kommst nicht ran.
Stattdessen suchst Du nach Lösungen:
Du willst es „richtig“ machen.
Verstehen, warum Du so fühlst.
Schnell wieder funktionieren.
Schnell wieder „okay“ sein.
Doch Bedürfnisse lassen sich nicht erzwingen.
Sie tauchen auf, wenn Du weich wirst.
Langsam wirst.
Ehrlich wirst.
Und das ist das eigentliche Problem:
Du hast gelernt, Gefühle zu fühlen – aber nicht, sie zu übersetzen.
Du spürst den Sturm – aber Dir fehlen die Worte für den Wind.
Grund 4: Du verwechselst Wünsche mit Bedürfnissen
Vielleicht wünschst Du Dir, dass er Dich anruft.
Oder dass sie sich endlich wieder meldet.
Oder dass jemand von sich aus erkennt, wie viel Du trägst – und Dir einfach mal etwas abnimmt.
Und vielleicht denkst Du dann:
„Das ist doch mein Bedürfnis.“
Aber nein.
Das ist ein Wunsch.
Eine Strategie. Eine Hoffnung auf ein bestimmtes Verhalten im Außen.
Ein Bedürfnis liegt tiefer.
Es geht nicht darum, dass er anruft –
sondern darum, dass Du Dich gesehen fühlst.
Es geht nicht darum, dass sie sich entschuldigt –
sondern darum, dass Du emotionale Sicherheit brauchst.
Es geht nicht darum, dass Du recht bekommst –
sondern darum, dass Du gehört wirst.
Es geht nicht darum, dass Dir jemand etwas abnimmt –
sondern darum, dass Du Dich gehalten und mitgemeint fühlst.
Wünsche richten sich nach außen.
Bedürfnisse verankern sich innen.
Und genau das macht es so schwer:
Wenn ein Wunsch nicht erfüllt wird, fühlst Du Dich abgelehnt.
Aber wenn Du Dein Bedürfnis gar nicht erst erkennst,
fällst Du in die gleiche Schleife immer wieder zurück:
Hoffen. Warten. Rückzug. Anpassung.
Es ist okay, Wünsche zu haben.
Aber erst, wenn Du weißt, was darunter liegt,
kannst Du wirklich für Dich einstehen – ohne zu klammern, ohne zu kämpfen.
Denn das eigentliche Geschenk liegt nicht darin, dass jemand Deinen Wunsch erfüllt.
Sondern darin, dass Du selbst erkennst, was Dein Herz wirklich braucht.
Grund 5: Du glaubst, es sei egoistisch, auf Dich zu achten
Du willst niemandem zur Last fallen.
Du willst nicht als anstrengend gelten.
Und Du willst auf keinen Fall egoistisch wirken.
Also hältst Du zurück.
Deine Wünsche.
Deine Müdigkeit.
Dein „Ich kann nicht mehr“.
Denn irgendwo in Dir sitzt dieser leise Glaubenssatz:
„Wenn ich für mich sorge, schade ich anderen.“
Aber weißt Du was?
Das Gegenteil ist wahr.
Es ist nicht egoistisch, wenn Du Deine Grenzen wahrst.
Es ist nicht egoistisch, wenn Du Deinen Feierabend verteidigst.
Es ist nicht egoistisch, wenn Du Nein sagst –
auch wenn jemand anderes dann enttäuscht ist.
Das ist Selbstachtung.
Und Selbstachtung ist ein stiller Akt von Würde.
Du brauchst keine Genehmigung, um Deine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Keine Rechtfertigung. Kein „Ich hab aber schon so viel gemacht“-Beweis.
Du darfst einfach spüren: Was tut mir gut?
Und Du darfst danach handeln –
ohne Schuld.
Ohne Scham.
Ohne Erklärung.
Denn Selbstfürsorge ist kein Luxus.
Sie ist überlebenswichtig.
Fazit: Eigene Bedürfnisse zulassen – leise und ehrlich
Du musst nicht alle Deine Bedürfnisse auf einmal kennen.
Du musst sie nicht perfekt benennen.
Und schon gar nicht rechtfertigen.
Aber Du darfst anfangen, ihnen zuzuhören.
Still.
Neugierig.
Mit dem Mut, Dich selbst wieder zu spüren –
auch wenn Du es lange nicht getan hast.
Deine Bedürfnisse sind kein Problem.
Sie sind kein Störfaktor.
Und auch kein Zeichen von Schwäche.
Sie sind der ehrlichste Ausdruck Deiner inneren Wahrheit.
Wie eine leise Freundin, die sich nie aufdrängt –
aber immer da war.
Vielleicht brauchst Du nur einen Moment, um wieder hinzuhören?!
Und jetzt Du
Was spürst Du – und was davon könnte ein echtes Bedürfnis sein?
Nicht das, was Du tun solltest.
Nicht das, was jemand anderes von Dir erwartet.
Sondern das, was gerade in Dir leise flüstert:
„Ich wünsche mir…“ oder „Ich brauche…“
💚 Schreib mir gern in die Kommentare.
Postskriptum: Übrigens – Nächste Woche erscheint Teil 2 dieser Serie – darüber, wie Du Deine Bedürfnisse nicht nur spürst, sondern auch ausdrückst. In ‚Rücksicht auf alle – außer Dich? Wie Du lernst, Deine Bedürfnisse zu kommunizieren‘ zeige ich Dir, wie ehrliche Verbindung entsteht. Trag Dich am besten in den Newsletter ein, um den Artikel nicht zu verpassen!