Die Entscheidung zu bleiben – und mich selbst nicht mehr zu verlassen
Weißt du, ich habe früher oft darüber nachgedacht, einfach zu gehen.
Einfach alles hinter mir zu lassen: die Beziehung, die Zweifel, dieses ewige Ringen mit mir selbst.
Nicht dramatisch. Kein Knall, kein Kofferwerfen.
Mehr so ein stilles Verschwinden – wie eine, die langsam rückwärts aus ihrem eigenen Leben geht, ohne dass es jemand richtig merkt.
Ich war müde.
Nicht die „Ich brauch dringend Urlaub“-Müdigkeit.
Sondern diese ganz leise, schwere, die sich unter die Haut legt und dir zuflüstert:
„So wie es ist, geht es nicht mehr.“
Nach außen war alles in Ordnung.
Job läuft. Wohnung schön. Lächeln sitzt.
Aber in mir drin war Chaos im Sonntagskleid.
Zu viele Fragezeichen.
Zu viele Kompromisse, die sich wie kleine Verrate anfühlten.
Und immer wieder diese Stimme im Kopf:
„Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“
Ich suchte nach Antworten.
Verlor mich in Beziehungsratgebern, Podcasts mit spirituellem Tiefgang und YouTube-Videos über Bindungstypen.
Ich analysierte alles – ihn, mich, uns.
Doch das Gefühl blieb.
Diese nagende Mischung aus „Ich bin zu viel“ und „Ich bin nicht genug“.
Ein ewiges Dazwischen.
Dann kam dieser Moment.
Ein kleiner Streit – nichts Weltbewegendes.
Aber irgendetwas darin ließ in mir alles kippen.
Ich wollte losrennen. Raus. Fliehen.
Weil ich dachte, ich hätte wieder versagt. Wieder nicht richtig reagiert. Wieder zu sensibel gewesen.
Doch zum ersten Mal blieb ich.
Ich blieb einfach da – weinend, wütend, überfordert.
Ich blieb sitzen, mit klopfendem Herz und zitternden Händen.
Und zum allerersten Mal in meinem Leben sagte ich mir:
„Ich gehe nicht. Ich bleibe. Bei mir.“
Nicht, weil ich Angst vor dem Gehen hatte.
Sondern weil ich es leid war, mich selbst ständig zu verlassen, sobald es schwierig wurde.
Ich hatte mich so oft verlassen, um zu funktionieren.
Um zu gefallen. Um Harmonie zu wahren.
Aber Harmonie ohne Wahrheit ist keine Liebe – es ist Höflichkeit mit Herzklopfen.
Also blieb ich.
Und fing an, ganz vorsichtig zu fühlen, was da eigentlich in mir los war.
Ich hörte mir selbst zu, wie einer Freundin, die ich lange vernachlässigt hatte.
Ich lernte, still zu sein, ohne mich zu verurteilen.
Ich lernte, zu fühlen, ohne sofort handeln zu müssen.
Und Stück für Stück begann ich zu verstehen:
Es ging nie darum, ihn zu retten.
Es ging darum, mich zu retten.
Mich nicht mehr kleinzumachen, nicht mehr anzupassen, bis nichts von mir übrig war.
Ich wollte lernen, wie man bleibt, ohne sich zu verlieren.
Wie man liebt, ohne sich zu verbiegen.
Wie man streitet, ohne sich gegenseitig zu verlieren.
Und weißt du, was das Schönste war?
Je mehr ich mich selbst verstand, desto weniger brauchte ich, dass er mich versteht.
Je mehr ich mich selbst hielt, desto weniger musste er mich festhalten.
Und je mehr ich mich selbst liebte, desto stiller wurde dieses schreiende Bedürfnis in mir, endlich geliebt zu werden.
Ich habe nicht den perfekten Partner gefunden.
Aber ich habe aufgehört, mich selbst aufzugeben, nur um geliebt zu werden.
Ich habe gelernt, das Drama zu verlassen – ohne die Beziehung zu verlassen.
Heute ist zwar nicht alles nonstop schmetterlingsrosarot.
Aber es ist echt.
Und manchmal, in den kleinen Momenten – wenn wir lachen, obwohl wir vorher gestritten haben, wenn ich nein sage und mich dabei nicht mehr schäme, wenn ich meine Tränen nicht mehr entschuldige –
dann spüre ich:
Ich bin angekommen.
Bei mir.
Und da begann leise etwas zu wachsen:
Ein Vertrauen.
Ein Frieden.
Ein Wunsch, diese Erfahrung weiterzugeben.
Weil ich weiß, wie weh es tut, sich selbst immer wieder zu verlieren.
Und weil ich heute weiß: Es geht auch anders.
Du musst nicht perfekt sein, um geliebt zu werden.
Du musst nicht laut sein, um gehört zu werden.
Du musst nicht gehen, um frei zu sein.
Manchmal reicht ein einziger Gedanke, der alles verändert:
Ich darf bleiben – bei mir.